Das berühmte, von Sennheiser entwickelte Shotgun- (Richtrohr) Mikrofon MKH 416 ist ein Mikrofon, das seit jeher in der Filmindustrie für Audioaufnahmen genutzt wird. Es hängt dazu normalerweise am Ende eines Boom (einer Galgenstange) über dem sprechenden Schauspieler ausserhalb des Sichtfelds. Dafür wurde es entwickelt.
Ernie Anderson
Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob es stimmt, aber unter Voiceover Kollegen heisst es, dass das Sennheiser MKH 416 dank des damals sehr bekannten amerikanischen Promo-Sprechers Ernie Anderson in vielen US Studios zu einem festen Bestandteil der Sprecherkultur wurde.
Ernie mochte es wohl nicht, dass die Tontechniker und Produzenten oft über ihn sprachen, während er in der schalldichten Kabine war, also bestand er darauf, mit ihnen im selben Raum zu sein. Der diensthabende Tontechniker schnappte sich das am besten ausgerichtete Mikrofon, das er damals finden konnte, um im Kontrollraum aufzunehmen, und das war zufällig ein 416.
Sennheiser MKH 416
Ernie Anderson hat wohl nie ausdrücklich darauf bestanden, nur ein 416 zu benutzen, aber es sprach sich herum, und zunehmend begannen auch andere Promo-Sprecher, das MKH 416 einzusetzen.
Das ursprüngliche MKH 416 wurde in den siebziger Jahren entwickelt, um Dialoge an Filmsets aufzunehmen. Es wurde aus zwei Gründen populär.
“Die Richtwirkung des MKH-416 reduziert Hintergrundgeräusche durch die Unterdrückung von Nebengeräuschen, und seine Kleinmembrankapsel trägt zur Verbesserung der Richtwirkung seines Hochtonabnehmers bei, während der Effekt von Plosivlauten, die die Aufnahme beeinträchtigen (“Poppen”), reduziert wird.
Der zweite Grund für den guten Ruf des MKH-416 ist die Langlebigkeit seiner Konstruktion, seine Widerstandsfähigkeit gegen Feuchtigkeit und seine Einsatzfähigkeit im Freien.”
Für mich als Sprecher ist es egal, ob mein Mikrofon in der Antarktis oder im Regenwald des Amazonas überleben kann, aber die Fähigkeit eines Shotgun Mikrofons, meine Stimme und nur wenig von der Umgebung aufzunehmen, ist sehr nützlich, besonders in Räumen, die nicht so gebaut sind, dass sie Umgebungsgeräusche abhalten.
Studio Probleme
Auf Mallorca habe ich es dank meiner Studiobricks ONE Kabine wenig mit Außengeräuschen zu tun. Und in Deutschland habe ich einen 2,20 m x 2,50 m grossen Kellerraum zum Studio ausgebaut und aufgrund meiner tiefen Stimme hauptsächlich mit GiK-Bassfallen ausgestattet. Auch da habe ich sehr selten mit Außengeräuschen zu tun, ausser wenn der Nachbar den Rasen mäht, und dann ist sowieso alles egal…
Mein Geräuschproblem kommt von innen: wenn in der angrenzenden Waschküche die Waschmaschine gelegentlich rumpelt, oder auf der anderen Seite die Heizung anspringt. Ausserdem — fast jeder Grund ist ein guter Grund für einen Sprecher, sich ein neues Mikrofon zuzulegen, oder?
Auf der Suche nach einem neuen Mikrofon
Warum ich nicht einfach ein MKH 416 gekauft habe? Es hat definitiv einen guten Ruf vor allem unter Sprechern in den USA (wo 2003 meine Sprecherkarriere ihren Anfang genommen hat). Ein Mikrofon muss zur Stimme passen, ohne dass es in der Nachbearbeitung korrigiert oder aufgepeppt wird. Das MKH 416 ist ein Relikt aus der Ära, in der es entwickelt wurde. Es hat ein leicht überhöhtes High-End, was nützlich ist, wenn man das Richtrohrmikrofon mit Deadcat oder Zeppelin benutzt. Solche Windschutzvorrichtungen dämpfen den Klang. Mit einer erhöhten Präsenzanhebung kann man für mehr Klarheit sorgen.
Vor etlichen Jahren hatte ich schon mal daran gedacht, mir das MKH 416 zuzulegen, konnte es mir aber damals nicht leisten und habe stattdessen das Rode NTG3 genommen. Eine Fehlentscheidung wie sich herausstellen sollte… Das NTG 3 sollte die australische Antwort auf das MKH 416 sein, hat jedoch einen etwas verlängerten Bassbereich und passt nicht zu meiner Stimme.
Ein MKH 416 — aber besser!
Und damit sind wir bei dem Mikrofon, das jetzt in meinem Studio neben meinem Neumann TLM 103 hängt, dem Mikrofon, das Sennheiser 2011 als Nachfolger des 416 herausbrachte: das MKH 8060 (siehe Foto). Ich denke, der einzige Grund, warum Sennheiser das veraltete MKH 416 noch nicht in den Ruhestand geschickt habt, ist, dass noch immer danach gefragt wird.
Bevor ich 1300 Euro für ein MKH 8060 ausgegeben habe, habe ich mich allerdings informiert. Ich bin auf Foren gegangen, in denen sich erfahrene Technikfreaks versammeln. Die meisten Kommentatoren halten das MKH 8060 für
“sweeter, lighter, and less noisy, better overall mic.”
“It has less distortion and sounds more natural and uncolored while still being very directive.”
Aber… passt es zu meiner Stimme?
Die obigen Kommentare sind mit Vorsicht zu geniessen, denn ein und dasselbe Mikrofon kann je nach Aufnahmeraum, Platzierung des Mikrofons, der Ausrüstung, an die es angeschlossen ist, und der Person, die es benutzt, sehr unterschiedlich klingen.
In meinen Ohren klingt das MKH 8060 nicht aufdringlich. Es betont die Höhen in meiner Stimme etwas mehr, da es – ähnlich wie das MKH 416 – ein leicht überhöhtes High-End zu haben scheint.
Signal-Rausch-Verhältnis
Es gibt zwei Werte, auf die man beim Kauf eines Mikrofons achten sollte, insbesondere wenn man es für Sprechertätigkeit nutzen will: Empfindlichkeit und Eigenrauschen. Beide beeinflussen das wichtige Signal-Rausch-Verhältnis (Signal to Noise Ratio – SNR).
Wie berechnet man das SNR?
Das SNR wird anhand eines Referenzschallpegels von 1 Pascal (94 dB SPL) berechnet. Dieser wird als 94 dB SPL 1 kHz Ton an der Mikrofonkapsel standardisiert. Wenn ein Mikrofon zum Beispiel ein Eigenrauschen von 14 dBA hat, wäre der angegebene SNR dieses Mikrofons 80 dB (94 dB SPL minus 14 dBA). Übrigens, ein SNR von 80 dB wäre gut!
Ein Eigenrauschen von 14 dBA (SNR von 80 dB) ist von der natürlichen Umgebung der meisten Studioräume nicht zu unterscheiden und wird im Kontext einer vollständigen Mischung nicht wahrgenommen.
Die Empfindlichkeit gibt an, wie “heiß” ein Mikrofon ist. Empfindliche Mikrofone benötigen weniger Signalverstärkung durch einen Vorverstärker, was zu saubereren Aufnahmen führt. Je niedriger die Zahl in den technischen Daten ist, desto heißer ist das Mikrofon (und desto höher ist das SNR). Wenn dein Mikrofon empfindlicher ist, muss du nicht so dicht rangehen, was zu weniger Plosiven führt. Mit dem Alter lässt das stimmliches “Durchhaltevermögen” etwas ab. Ich kann also mit geringerer Lautstärke sprechen, damit meine Stimme länger hält. Das MKH 8060 nimmt meine Stimme perfekt auf, auch wenn ich leise spreche.
Eigenrauschen ist ein Rauschen, das vom Mikrofon selbst erzeugt wird, auch wenn keine Schallquelle vorhanden ist. Billigere Mikrofone haben in der Regel mehr Eigenrauschen (ein leichtes Zischen), was sich in höheren Werten und einer weniger sauberen Aufnahme niederschlägt.
Hier sind ein paar Shotgun Mikrofone zum Vergleich. Die erste Zahl steht für die Empfindlichkeit in db, die zweite für das Eigenrauschen (SN) und die dritte steht fuer der Signal-Rausch-Verhältnis (SNR):
Sennheiser MKH 416 | -32 | 13 dbA | 81 |
Rode NTG 3 | -30 | 13 dbA | 81 |
Sennheiser MKH 8060 | -24 | 11 dbA | 83 |
Rode NTG 5 | -23,5 | 10 dbA | 84 |
Je höher der SNR-Wert, desto besser. Wie man sieht, übertrifft das NTG 5 von Rode, das im Einzelhandel ein Drittel des MKH 8060 kostet, das Sennheiser nur um ein kleines Stück. Ich glaube nicht, dass diese Unterschiede überhaupt hörbar sind, und die Kunden haben sowieso nie die Möglichkeit, einen direkten Vergleich anzustellen. Diese Zahlen zeigen jedoch, wieviel empfindlicher und leiser das neue MKH 8060 im Vergleich zum MKH 416 ist.
Fazit
Mein Neumann TLM 103 ist nach wie vor mein go-to Mikrofon. Es spiegelt meine Stimme sehr gut, aber ich greife auch immer öfter zum Sennheiser MKH 8060. In den letzten paar Wochen habe ich mehrere e-Learning-Projekte und Produktvideos eingesprochen und der Kunde war sehr zufrieden.