Gute Mikrofontechnik zeugt von Professionalität
Da ist es, dein ganzer Stolz, dein erstes Großmembran-Kondensatormikrofon. Was jetzt? Wie und wo sollst du es platzieren? Hängen oder nicht? Wie weit solltest du beim Sprechen vom Mikrofon entfernt sein? Gemeinsam mit meinem Freund, Sprecherkollegen und Toningenieur Dan Friedman dazu ein paar Überlegungen.
Gute Mikrofontechnik anwenden zu können, um das Beste aus deiner Stimme herauszuholen, zeugt von deiner Professionalität als Sprecher. Die richtige Mikrofontechnik, den Umgang mit dem Mikrofon zu erlernen und anzuwenden, macht es zudem wesentlich leichter, die Aufnahme zu bearbeiten, zu mischen und zu produzieren und grossartige Ergebnisse zu erzielen. Für Sprecher ist es wichtig, zu wissen, wie man plosive Laute reduziert/vermeidet, sich an die Dynamik anpasst und mit dem Mikrofon “zusammenarbeitet”, sodass es die Dynamik und die Emotionen deiner Performance unterstützt. Bei professioneller Mikrofontechnik lässt sich die Aufnahme fast mühelos in einen Mix integrieren.
Von vorne oder von der Seite?
In der Regel verwenden Sprecher ein Großmembran-Kondensatormikrofon (mehr zu Mikrofonen…). Sie sind sehr empfindlich und daher in der Lage, deine Stimme hervorragend abzubilden – und sie wollen von der Seite angesprochen werden.
In den letzten Jahren haben sich zunehmend in Sprecherstudios allerdings auch Kleinmembran-Kondensatormikrofone eingefunden, wie das Sennheiser MKH 8060, moderner Nachfolger des berühmten Sennheiser MKH 416 Mikrofons aus der Filmindustrie und andere. Diese sogenannten Shotgun Mikrofone möchten von vorne angesprochen werden. Soviel dazu.
Allgemeine Mikrofonpositionierung
Dein Abstand zum Mikrofon, d. h. wie nah oder wie weit entfernt du dich davon befindest, beeinflusst den Frequenzgang des Mikrofons. Deine Position zur Achse des Mikrofons – wie mittig oder außermittig du dich zur Membran befindest – beeinflusst den Frequenzgang und je nach Richtcharakteristik auch, wie gut das Mikrofon deine Stimme einfängt. Natürlich wirkt sich auch die Dynamik deines Sprechens auf das Mikrofon aus.
Hinweis: “Frequenzgang” (frequency response) bezieht sich auf die Tiefen und Höhen im Klang deiner Stimme (wie Bass und Höhen auf einer Stereoanlage) und “Richtcharakteristik” bezieht sich auf den Raum um die Membran des Mikrofons, der den Schall aufnimmt. Ein Mikrofon für Sprachübertragung hat in der Regel eine Nieren-Richtcharakteristik (manche sind jedoch einstellbar). “Dynamik” bezieht sich darauf, wie laut oder leise deine Stimme beim Lesen eines Skripts wird.
Jedes Mikrofon, egal welchen Typ du verwendest, hat einen “Sweet Spot”, die Distanz zur Schallquelle, an dem das Mikrofon deine Stimme am besten abbildet und klingen lässt. Bei Großmembran-Kondensatormikrofonen ist der Sweet Spot in der Regel etwa 6 bis 8 Zoll (ca. 15cm) von der Membran entfernt (erste Abbildung). Dies ist der Punkt, an dem deine Stimme – im Verhältnis zur Fähigkeit des Mikrofons, diesen Klang genau wiederzugeben – am natürlichsten klingt. Diese Distanz kann man immer mal schnell mit der unten zu sehenden “hang loose” Geste aus Hawaii überprüfen… 😉
Wenn du ein Großmembran-Kondensatormikrofon verwendest, solltest du dich also etwa 15 cm vom Mikrofon entfernt positionieren, wobei die Membran etwas außerhalb der Mitte (“off axis” links oder rechts, je nachdem, wie es sich angenehm anfühlt – Abb. 3) und über deinem Mund, also etwa auf Nasen-/Augenhöhe hängen sollte (Abb. 2). Wenn deine Stimme zu “nasal” klingt, versuche, das Mikrofon etwas tiefer oder höher auszurichten. Neige das Mikrofon leicht nach hinten, damit die beim Sprechen aus Mund und Nase kommende Luft nicht direkt, sondern schräg auf die Mikrofonmembran trifft. Die Neigung des Mikrofons trägt dazu bei, den Aufprall deiner mit dem Sprechen ausgesandten Luft zu streuen, wodurch Plosivlaute vermieden werden. Diese Ausgangsposition eignet sich für gängige Genres wie einfache Ansagen, Sachtexte und Werbespots.
Sei kreativ
Behandle das Mikrofon als sei es ein menschliches Ohr, scheu dich nicht näherzukommen, wenn es intim werden soll. Wenn du näher an das Mikrofon herangehst, werden die tieferen und höheren Frequenzen deiner Stimme verstärkt, was perfekt für flüsternde, gehauchte, romantische oder verführerische Texte ist. Handelt es sich um ein Skript, das Projektion erfordert, wie z. B. ein marktschreierischer Autospot oder ein Text, bei dem du so klingen soll, als würdest du aus einem anderen Raum rufen, ist es am besten, sich abzuwenden oder den Abstand zwischen dir und dem Mikrofon zu vergrößern. Wenn du in solchen Fällen während der Aufnahme räumliche Distanz zum Mikrofon schaffst, klingt die Szene beim Abmischen natürlicher.
Plosivlaute vermeiden
Ein grundlegendes, aber sehr wichtiges Element guter Mikrofontechnik ist die Fähigkeit, Plosive zu unterdrücken. Konsonanten wie “t” “p” und “k” können dazu führen, dass die Mikrofonmembran “knallt”. Im schlimmsten Fall kann dieses “Knacken” das Mikrofon beschädigen, im besten Fall ist eine weiterer Take erforderlich. Plosive können auch am Ende von Wörtern auftreten, wenn ein Konsonant ein Ausstoßen von Luft erfordert, wie z. B. bei “f”. Die Neigung des Mikrofons nach hinten, wie zuvor beschrieben, kann helfen, aber es gibt auch verschiedene andere Techniken und Hilfsmittel, um Plosivlaute zu vermeiden, z. B.: den Mund oder Kopf vom Mikrofon etwas wegdrehen, den Konsonanten untertreiben, einen “Pop-Filter” (Abb. 4) und/oder einen Windschutz verwenden. Beachte jedoch, dass der Klang des Mikrofons verändert werden kann, wenn man einen Windschutz/Softie/Dead Cat verwendet. Der Hochtonbereich und die Zischlaute werden oft beeinträchtigt, so dass die richtige Technik in Kombination mit einem Poppfilter eine viel bessere Lösung darstellt.
Gute Technik braucht Übung. Nimm dich beim Lesen verschiedener Arten von Text und mit verschiedenen Entfernungen zum Mikrofon selbst auf. Auf diese Weise kannst du feststellen, wie dein Mikrofon deine Stimme unter verschiedenen Bedingungen abbildet, und wie es dir hilft oder dich beeinträchtigt, die vom Skript beabsichtigten Emotionen zu kommunizieren.
Hängen oder nicht?
In den 30er und 40er Jahren, in den Anfängen des Mikrofons, war “hängen” konstruktionsbedingt sinnvoll: Die Wärme, die damals vom Mikrofonkörper ausging, sollte nicht an der Membran vorbeistreifen und so möglicherweise das Signal verändern.
Heute ist es einfach praktisch. Hängt das Mikrofon so, wie in den obigen Fotos zu sehen, blockiert es den Blick auf das Skriptpult, iPad etc. nicht. Besonders wichtig für Brillenträger, deren Lesebereich sich im unteren Drittel des Brillenglases befindet.
Danke!
An dieser Stelle noch ein Danke an Dan Friedman, Sprecherkollege und Toningenieur, der mich mit Infos und Fotos versorgt hat.